Dienstag, 21. September 2010

Sassens Kur für Finance

Die Soziologin Saskia Sassen skizziert die Gründe für die Finanzkrise, indem sie zuerst eine Begriffsbestimmung vornimmt.

Die Finanzwelt im Unterschied zu klassischem Bankgeschäft:


Saskia Sassen:
Finance, unlike traditional banking that slowly accumulates capital, can be thought of as a capability for making capital, and hence enabling the launch of major projects.

Gut, also die Finanzsektor kann Kapital erzeugen und das ist erst mal ganz nützlich. Es ermöglicht großangelegte Projekte.

Saskia Sassen:
Financial assets are basically debt, but debt with the special feature that it promises to make great profits.

Ressourcen deren sich die Finanzwelt bedient, sind jene Art von Schulden, mit denen großartige Gewinne zu erzielen sind.

Saskia Sassen:
This ingredient of finance rests in turn on the need to "financialise" non-financial economic sectors. Because finance is about debt it needs grist - bits and pieces of the "real" economy - for its mill.

Die Wachstumstrategie der Finanzwelt: Segmente der Wirtschaft werden abgeklopft nach gewinnbringenden Schulden. Schulden können gehandelt und gebündelt werden: Es entstehen neue Finanzprodukte, mit denen wie mit einer Währung gehandelt werden kann. Auch in Sektoren, die erst mal nichts mit Finance zu tun haben.

Ein beliebtes Instrument der Finanzwelt in den USA ist das Credit Derivative:
Eine Bank kann das Risiko eines Kundendarlehens veräußern, während die Bank intern das Darlehen weiterlaufen lässt, als sei gar nicht gewesen. Der Kunde hat keine Ahnung - -jedenfalls nicht bevor er Zahlungs unfähig wird. Denn die Leute die das Risiko übernehmen, sind etwas ungemütlicher als die Bank.


Ähnliches geschah übrigens hierzulande als die HVB weniger attraktive Immobiliendarlehen an Inkassounternehmen mit Banklizenz weitergab. Sobald die neue "Bank" des Darlehens habhaft war, trieb sie die Kredite brutal ein - -und Leute verloren ihre Immobilien blitzschnell und standen zusätzlich vor einem Schuldenberg. Ganz klever. Es wurde ganz in der Manier der Finanzmärkte ein beachtlicher Profit mit Schulden erzeugt, den herkömmliche Banken nicht erzeugen können.

Also nun zurück zu einer bestimmten Form des Credit Derivative: credit default swaps (CDS)


Saskia Sassen:
By 2000, the complexity of what was getting bundled had intensified - via derivatives on interest rates on long chains of corporate debt, credit default swaps (CDS)

Ein CDS funktioniert wie eine Versicherung, die ein Darlehensgeber mit einer dritten Partei zu einem Darlehen abschließt. Es fallen also Gebühren an - für die Versicherung eines Darlehens. Damit kann eine Bank eine Herunterstufung der Kreditwürdigkeit verhindern, wenn ihre Darlehen notleidend werden. Das Risiko wird ausgelagert. Der "Versicherer" streicht regelmäßig Gebühren ein und muss im Ernstfall für das Darlehen aufkommen.

Klingt wie ein unscheinbares Nischengeschäftchen. Weit gefehlt:


Saskia Sassen:
In fact CDSs had become the ultimate power-tool, a "made-in-America" product whose quantitative value jumped from $1 trillion in 2001 to $62 trillion in 2006 (more than the combined GDP of all the world's countries, $54 trillion).

GDP - Bruttosozialprodukt - Gross Domestic Product.

2008 wurde die Zahlung der Darlehen in großem Maße eingefordert - - und so brach das System zusammen.

Auch die Autorin Sassen findet es nicht grade gut, dass nun alles wieder von vorne anfangen soll, denn der Staat und Steuerzahler haben ja die Rechnung begleichen müssen. Die Behauptung ohne Finanzinstrumente geht gar nichts mehr, widerlegt die gebürtige Europäerin:


Saskia Sassen:
Small, local banks and credit unions can in great part meet the credit-function needs of complex economies. After all, most firms and households in major states (such as Germany, the United States and Japan) do not need high finance.

Warum geht es trotzdem weiter als wär nix gewesen?
Der Mythos, dass Finance so irre komplex ist, das kein Politiker mehr durchblickt und eh' nix machen kann, funktioniert wie ein Schutzschild:


Saskia Sassen:
I just don’t see our political classes able or willing to do it. Not able because they simply do not do their homework on finance – they have decided it is too complex (which it isn’t) and so delegate matters to the sector itself; same thing in the US. And they are not willing because once you do not think you can understand high finance, you lose your political compass. I think thtis was also Obama’s problem in his (disastrous) selection of Summers/Geithner as his economic/fin team. Here I am with Gillian Tett’s intelligent stance: there is work to be done (not her words) -- there is no easy and no perfect solution but we need to work at finding/developing workable ways of governing finance and pushing it in a different direction from where it has been the last two decades.

Zugegeben, das war jetzt alles etwas trocken und ging mir nicht besonders locker von der Hand. Dennoch behaupte ich, dass man es schon verstehen kann, wenn man sich Mühe gibt.


Sicher - - die Modelle die hinter Derivaten stehen, sind Atem beraubend komplex. Ihre Anwendung dagegen ist verständlich. Es muss ja keiner Mechatroniker sein, um Straßenverkehrsregeln zu gestalten.


Quelle
http://www.opendemocracy.net/print/48568
A global financial detox
September 2009
Saskia Sassen:


Gilian Tett:
http://www.thedailybeast.com/blogs-and-stories/2010-05-16/the-most-powerful-woman-in-newspapers/

Samstag, 18. September 2010

Wassernixen

Angelica Hagenstein war eigentlich Vorsitzende des Gesamtpersonalrats der Stadt München.
Unter diese Rubrik fällt auch Daseinsvorsorge und diesen Begriff fasste Frau Hagenstein sehr flächendeckend auf: Wasser brauchen wir Menschen zum Leben, also gehört es zur Daseinsvorsorge.

Seit Nestlé die natürliche Ressource Wasser weltweit als zu erschließende Ware entdeckt hat, ist auch unsere Wasservorsorge ganz konkret gefährdet. So gab Frau Hagenstein Anstoß zum Aktionstag "Klar - Münchner Wasser" im Rahmen der Daseinsvorsorge.

Dank Udes Sturheit waren nämlich weder die Wasserversorgung noch sonst irgendwelche klassischen Domänen von Stadtwerken an Aktiengesellschaften verkauft worden. Dazu gehörte mal viel Mut - - damals vor der Finanzkrise. Jetzt wird diese weise Voraussicht des Oberbürgermeisters regelrecht gefeiert.

Water Makes Money
indes beleuchtet die ganz konkreten feindlichen Grundwasser-Übernahme Versuche von globalen Unternehmen.
Water Makes Money
Ein Film von Leslie Franke und Herdolor Lorenz
Watermakesmoney.org

Die Premiere von „Water Makes Money" wird am Donnerstag, dem 23.September 2010 gefeiert - zeitgleich in möglichst vielen deutschen, französischen und anderen europäischen Städten und Gemeinden.

Der Film wurde von Bürgern finanziert. Etwa auch von Frau Christiane Hansen, gebürtige Französin und pensionierte Gymnasialprofessorin in München, Mitglied von Wasser in Bürgerhand. Sie stellte die Filmemacherin Leslie Franke und ihre Filmprojekte in München vor. Die Dreharbeiten für Watermakesmoney hat sie vor Ort in Frankreich begleitet. Überdies betreibt sie Lobby-Arbeit in Brüssel – wenn es um Wasser geht.

Frau Hansen ist auch am Aktionstag "Klar - Münchner Wasser" regelmäßig mit einem Infostand und charmanter Unterhaltung präsent.

Frau Hagenstein übergab nun vor der Sommerpause das Zepter des Gesamtpersonalrats der Stadt München an Frau Ursula Rüddigkeit. Doch Ruhestand wird wohl kein Zustand für Frau Hagenstein sein, hoffentlich auch nicht - wenn es um Wasser geht.

Wildes, grandioses Wasser, fällst mit hocherhobenem Köpfchen, auch wenn man dich bereits gezähmt hat! Hier, wo du gerade brausest, bist du noch nicht einmal gechlort für deine Wohngebieter....
Zitat aus
Gier, Elfriede Jelinek, September 2001, 1. Auflage, Rowohlt, Hamburg, Seite 214

Sonntag, 5. September 2010

Totenauberg, Jelinek

Werbung arbeitet mit Assoziationsketten, Wortspielen

Das macht die Jelinek auch. Bloß bei ihr ist es so, dass man
danach, also nach der Lektüre, niemand mehr etwas abkauft.
Vor allem sich selbst nicht.

Heidi 2.0 zitiert: So herrscht wieder die Ruhe des Erfreulichen. Und Sie sitzen hier. Aufs neue bereit, ein Wirt für die Ungültigen zu sein, die Karten gekauft haben, die ihrerseits entwertet werden müssen. [Totenauberg, 1991, bei Rowohlt, Reinbek, Seite 14] Tja. Öh. Hm. Ah ja!... Hehe.