Sonntag, 24. Februar 2008

Von Gatekeepern und anderen Dinosauriern

Ein Medienexperte mit -- zugegeben -- erfrischend keckem Sprachduktus reflektiert in einem Kulturmagazin über die gesellschaftliche Verantwortung kritischer Zeitungen darüber, „mit den Herrschenden Tacheles zu reden“.

Dabei seien Journalisten, selbst wenn sie in den Strudel von Arbeitsüberlastung und mangelnder Zeit für Recherche geraten sind, immer noch berufen, dem Volke die kristallklare Peile zu verklickern, wer herrsche, wer lüge und wer ausbeute.

Auch sei das Internet für das Publikum immer noch so verwirrend, dass dem Journalisten heute gar eine pädagogisch ordnende Rolle zu käme -- etwa die eines Gate-Keepers, also eines Erzengel Michaels sozusagen -- der mit gespitztem Stifte den Irrungen und Wirrungen des Netzes vermittelbare Bedeutung zu entlocken und die Schlacke der seichten oder gar manipulierenden Inhalte entfernen soll.

Der so erzieherisch zu reinem Inhalte geführte und von ehedem von der etablierten Presse als debil erachtete Leser, könne dann wieder zur Räson gebracht werden.

Hm. Verführerisch einfaches Szenario, dies. Dabei fällt mir eine wehmütige Rückschau der ZEIT auf die Achtundsechziger Generation ein. Damals, hieß es dort, gab es wenigstens noch einen konkreten Feind. Aber heute - - wer soll an alledem schuld sein? Die Globalisierung? Merkel? Die Antwort sei leider etwas komplexer, als es das heute nach gerade kuschelig einfach anmutende Weltbild der Rebellen des letzten Jahrtausends schildere.

Und wollen wir Leser wirklich einem unter seiner Rolle ächzenden Journalisten abfordern, für uns erst mal zu gucken, was da vom Internet her delektierbar sei? Oder möchte ich gar subtil pädagogisch in die richt'gen Bahnen mittels Zeitung geleitet werden, um nicht den anti-demokratischen Verführungen des Netzes anheim zu fallen?

Da müsste ich aber ganz schön debil-regressiv sein, um das zu wünschen. Aber ich kann ja eben mal als Nicht-Journalistin – d.h. Als Debilverdächtige - - eine Antwort auf solch Ansinnen äußern, und zwar in ganz regressiv-debiler Art:
„AUA“

Heidi 2.o meint: Das Echo von AUA ist AUA-AUA.
Und doch gibt es nette Journalisten. Nur so, zur Ausgewogenheit.
Hier bin ich nämlich die Gate-Keeperin.

Alice Waters

Alice Waters hob Chez Panisse aus der Taufe – ein nordkalifornisches Edelrestaurant, das die gehobene Bio-Kultur in Amerika begründete.

Waters hatte in Frankreich studiert und etablierte später in der intellektuellen Hochburg Berkeley ein Bio-Restaurant. Nichts Besonderes eigentlich, außer dass bei Chez Panisse auf französische Esskultur bestanden wurde. Kellner und Chefköchin Alice waren also keine schnöden, all-amerikanischen Dienstleister - oh nein -, sondern Persönlichkeiten. Alices Domäne war die Gourmet-Küche, von der aus sie mit dem Anspruch der Künstlerin, ganz in der Tradition europäischer Edelgastronomie regierte.

Das experimentierfreudige Berkeley machte mit und bereitete so den Weg zur California Cuisine; denn was als Geheimtipp begann verwandelte sich bals in einen gefeierten Kult.

Die Region um Berkeley - also Marin County - wo landschaftlich malerische Städtchen und Dörfer Heimat für eher wohlhabende Kreative aus San Franciso sind, fühlte sich angesprochen und pilgerte zu Alice – trotz oder gar wegen der für kalifonrnische Verhältnisse gestrengen gallischen Esskultur.

Zu Tisch bei Chez-Panisse gelangten indes frisches Bio-Obst und -Gemüse aus eben jenem Marin County sowie dem etwas entfernteren Sonoma County und Napa Valley - die letzeren Beiden sind heute Synonyme für kalifornischen Weinbau, an dessen weltweiten Erfolg Alice auch nicht ganz unschludig ist.

Und so schildert Alice die Anfänge der Küche, die auf regionale Bio-Frische setzt:
„diese Leute tauchten bei meiner Küchentür auf und boten mir Soja-Sprossen, Spinat, Brokkoli und Birnen aus Ihren Bio-Anbauhöfen vom Umland an. Ich sagte Ihnen, bringt mehr davon und macht einen Plan darüber, was ihr mir bringen könnt. Bald arbeiteten wir eng zusammen und ich konnte beginnen, meine Kreationen auf die zugesagten Ingredienzen dieser Biolbauern abzustimmen.“

So ungefähr muss es gelaufen sein. Das Prinzip regionale, ausgesuchte Bio-Zutaten als Grundlage für gehobene, Bio-Feinschmecker Küche war geboren.

Die Folgen und Wechselwirkungen sind allseits bekannt - - Bio-Bauern bauen interessantere, vielseitigere Feld-Früchte an, es gibt keine langen Transportwege, der Gegensatz zwischen Genuss und bewusstem Konsumieren wurde aufgehoben.

Unter Alices Ägide in Berkeley entstand der Edible Schoolyard - - der zum Verzehr geeignete Schulhof - - ein Projekt, das Schulkindern Gärtnern lehrt und zwar für den eigenen Lunch.

Alice ist nun eine Berühmtheit unter Kennern geworden, die den Amerikanern seit Längerem beibringt, warum frische, hochwertige Bio-Zutaten die halbe Miete bei einem guten Mahl sind.


Links vom Text:
www.chezpanisse.com
www.chezpanisse.com/pgalice.html

www.npr.org/templates/story/story.php?storyId=9848900

www.edibleschoolyard.org/ppl_aw.html

www.starchefs.com/AWaters/html/index.shtml

Heidi 2.0 meint – ja? Also ich hab schon immer die lieblichste Ziegenmilch direkt hier von der Alm getrunken. Was soll daran neu sein?